Die Kanzlerin hat eine grundlegende Reform des EEG vor der Wahl angekündigt und nach der Wahl die Reform des ordnungspolitischen Rahmens, in dem die Energiewende stattfinden soll, als das große Projekt der neuen Koalition angekündigt, an dem die Koalition sich messen lassen soll. Alles in allem bin ich enttäuscht, um nicht zu sagen entsetzt, von der Hasenfüßigkeit der Großen Koalition. Nach einer großen Reform der Energiewende sieht das nun beileibe nicht aus – im Großen und Ganze weiter so wie bisher, ist das Motto.
Bezahlbarkeit und Versorgungssicherheit seien gleichrangige Ziele zu Klima- und Umweltverträgichkeit, heißt es. Allerdings fehlen für die Ziele Bezahlbarkeit und Versorgungssicherheit nach wie vor jegliche Zielvorgaben, während im Bereich des Ausbaus der Erneuerbaren Energien detailliert Zahlen genannt werden. Das suggeriert, dass die beiden Ziele Bezahlbarkeit und Verlässlichkeit nach wie vor faktisch nicht ernst genommen werden. Welcher Strompreis wird noch als akzeptabel angesehen? 30 cent/kwh? 40 cent/kwh? Welche EEG-Umlage wäre noch ok? 10 cent? 8 cent? egal? Wie viele Stromausfälle oder „lost load“ können wir pro Jahr tolerieren? Dazu findet sich nichts. So wird man stets behaupten können, das Ziel erreicht zu haben. Im Wesentlichen geht es hier um Kosmetik.
Der gesamte Ansatz ist insgesamt überaus planwirtschaftlich angelegt. Markt und Wettbewerb spielen so gut wie gar keine Rolle, fast alles soll ganz genau staatlich vorgegeben werden. Wer wann wo wie und wie viel Strom produzieren und verbrauchen soll – das alles sollte idealerweise zentral geplant werden, so wohl die Grundidee. Eine ernsthafte Reform des EEG wird vermieden, selbst vor einer verpflichtenden Direktvermarktung, meinthalben im Rahmen eines verpflichtenden Marktprämienmodells, für sämtliche Neuanlagen schreckt man zurück, stattdessen soll die weitere Alimentierung fast aller EE-Anlagen auf Kosten der Verbraucher erfolgen, nur noch ausdifferenzierter als heute. Bei Offshore-Wind wird im Wesentlichen nachvollzogen, was ohnehin schon Realität ist. Ein echter Systemwechsel nicht vor 2018, also faktisch vermutlich noch später.
Diese Politik wird ganz sicher nicht Arbeitsplätze und Wertschöpfung in Deutschland sichern, sondern sie nachhaltig gefährden. Und das ist auch das einzig Nachhaltige daran. Für den Klimaschutz wird fast auch nichts getan. Welche Überlegungen gibt es, den Wärmemarkt und den Verkehrssektor in das Europäische Emissionshandelssystem mit einzubeziehen? Wohl keine. Auch eine automatische Rückkopplung zwischen dem Ausbau der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien und der 2009 festgelegten europaweiten CO2-Obergrenze ist nach wie vor nicht geplant, ein einmaliges Backloading ist alles (das vermutlich genauso einmalig wie viele Rettungspakete, einmalige Steuererhöhungen, und andere einmalig immer wieder wiederholt vorkommende Ereignisse). Das mangelnde Augenmerk auf die CO2-Reduktion zeigt, dass der Ausbau der Erneuerbaren nicht aus Klimaschutzgründen geschehen soll. Ansonsten sollten wir das viele Geld nehmen und den Ausbau von Solaranlagen in Entwicklungsländern finanzieren – dort würden sie nämlich wirklich CO2 einsparen, da diese Länder bisher keine Begrenzung ihres CO2-Ausst0ßes festgelegt haben. Geplant ist zwar die Reduktion der Klimagase in Deutschland um 40 Prozent (im Vergleich zu 1990) bis 2020 – eine verbindliche Begrenzung des CO2-Ausstoßes durch Reduktion/Rückgabe/Aufkauf der CO2-Zertifikate scheint aber nicht geplant. Und dass man mit demselben Geld in anderen Teilen der Welt viel mehr CO2 einsparen könnte, ist den allermeisten ohnehin vollkommen egal, warum auch immer.
Die besten Überlegungen finden sich noch im Bereich Netzentgelte (Änderung der Entgeltstruktur und G-Komponente, wie von der Monopolkommission vorgeschlagen) und stärkeres Einbeziehen der Eigenerzeugung in die EEG-Umlage. Auch die Reform der Ausnahmeregeln ist prinzipiell gut, aber sie trifft nicht den Kern des Problems. Das ist nämlich die Kostenentstehung und nicht die Kostenverteilung. Am Ende muss der Verbraucher das Ganze doch bezahlen, ob als Teil der Stromrechnung, durch teurere Bahntickets oder andere höhere Produktpreise. Wenigstens hat man sich nicht voreilig auf die nächste Subvention in Form von Kapazitätsmärkten geeinigt, aber die kommen sicher auch noch, um die Versorgungssicherheit für verfehlte Kraftwerksinvestitionen zu schaffen.
Alles in allem wird hier gerade die Chance für eine echte Reform, die den Namen auch verdient, verspielt. Schade. Dann eben mit Volldampf in die Energieplanwirtschaft, mit Nationalem Aktionsplan statt mit Fünfjahresplan, wenigstens ein neuer Name für das Ganze.
PS: Geteiltes Leid ist halbes Leid, einige Kollegen sind laut FAZ nicht weniger entsetzt.
PPS: Mein Interview zum Thema in der Süddeutschen Zeitung.
PPPS: Noch ein Interview zum Thema in Finanz und Wirtschaft (Schweiz).